Persönlichkeit und KrankheitSchon in der älteren Psychosomatik ist man der Annahme nachgegangen, daß einige Krankheiten überzufällig häufig mit einem bestimmten Persönlichkeitsprofil einhergehen. Die neuere gesundheitspsychologische Forschung hat eine Reihe wichtiger Befunde beigetragen (Siegrist, 1996). So war man seit den 60er Jahren bei der Ursachenbestimmung des Herzinfarkts dem sogenannten Typ A-Verhalten auf der Spur. Damit bezeichnet man ein Verhaltensmuster, das durch ehrgeiziges Leistungsstreben, Konkurrenzorientierung, Ungeduld, Zeitdruck, Feindseligkeit, Ärger, Aggressivität und explosive Sprechweise gekennzeichnet ist. Tatsächlich hat man in Längsschnittstudien Zusammenhänge dieses Persönlichkeitstyps mit der Auftretenshäufigkeit von Herzinfarkt gefunden. Man schätzte das kardiale Mortalitätsrisiko für den Typ A doppelt so hoch ein wie für den Typ B, der das gegenteilige Verhaltensmuster zeigte. Diese Zusammenhänge konnten jedoch später nicht mehr so deutlich repliziert werden. Nach heutigem Kenntnisstand ist vielmehr anzunehmen, daß einzelne Komponenten dieses Verhaltensmusters die Entstehung des Herzinfarktes begünstigen, insbesondere Feindseligkeit, Ärgerausdruck und zynisches Mißtrauen. Die Suche nach den psychischen Entstehungsbedingungen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen beschränken sich jedoch nicht auf die Isolierung einzelner Risikofaktoren im Verhalten oder in der Persönlichkeit, sondern richtet sich ebenso auf die Mechanismen der Pathogenese, also auf das Zusammenwirken von biologischen, psychischen und sozialen Merkmalen und Prozessen über viele Jahre hinweg. Auch für die Krebserkrankung hat man vorauslaufende Merkmale der Persönlichkeit identifizieren können (Hennig, 1998). Am ehesten scheinen depressive und anti-emotionale Menschen, die sich von anderen Personen abhängig machen und die zugleich konfliktscheu sind, dafür prädestiniert zu sein. Von manchen Forschern wird die These vertreten, daß die Wechselwirkung (Synergismus) von Risikofaktoren (wie z.B. Krebspersönlichkeit und Rauchen) am ehesten eine Vorhersage der Tumorgenese erlaubt.Man muß jedoch bei allen Aussagen zur Persönlichkeitsabhängigkeit von Erkrankungen bedenken, daß zahlreiche Einflußgrößen auf den viele Jahre dauernden pathogenen Prozeß einwirken und daß es hier nicht um deterministische Beziehungen, sondern um die statistische Erklärung der Unterschiedlichkeit im Auftreten von Krankheitsmerkmalen in Populationen geht, was Rückschlüsse auf den Einzelfall nicht zuläßt.
Streß und StreßbewältigungIn der Gesundheitspsychologie wird Streß als ein potentiell krankmachender Prozeß angesehen. Streß meint dabei weder einen kritischen Reiz noch die Reaktion darauf, sondern vielmehr einen interaktiven Vorgang, bei dem eine Person angesichts einer kritischen Situation Einschätzungsprozesse (Kognitionen) vornimmt (Krohne, 1997; Schwarzer, 1996). Dabei werden objektive und erlebte Situationsgefahren zu den eigenen Bewältigungsressourcen in Beziehung gesetzt. Aus solchen Kognitionen erwachsen dann emotionale und physiologische Reaktionen sowie Bewältigungsanstrengungen (Coping). Diese Sichtweise ist sehr verschieden von den Streßtheorien, die in Medizin und Naturwissenschaft vorherrschen. Ob jemand aufgrund von Streß krank wird oder nicht, hängt nicht nur von der streßreichen Situation ab, sondern auch von den Ressourcen, von den kognitiven Einschätzungen und von den zum Einsatz gebrachten Copingstrategien und deren Erfolg. Langanhaltende, schwere Streßepisoden, wie zum Beispiel bei Krankheit und Tod eines geliebten Partners, enthalten somit ein hohes Potential für einen pathogenen Prozeß, der sich in Morbidität und Mortalität niederschlagen kann. Nach einer Verwitwung z.B. ist die Lebenserwartung des verbleibenden Partners statistisch gesehen reduziert. Einer der Mechanismen, die dem zugrundeliegen, ist die Immunsuppression. Wenn der Organismus durch Krisen und Depressionen belastet ist, wird das Immunsystem geschwächt, so daß sich Infektionskrankheiten und Tumorneubildungen häufiger beobachten lassen. Dies ist Gegenstand der Psychoneuroimmunologie (Hennig, 1998), einem wichtigen Zweig der Gesundheitspsychologie.Ein streßtheoretisches Modell, das die biopsychosoziale Entstehung von Krankheiten verdeutlicht, ist in Abb. 1 dargestellt. Danach wird angenommen (von rechts nach links in der Abb.), daß pathogene physiologische Prozesse sich aus dem Miteinander von Emotionen, Coping und Gesundheitsverhalten ergeben, welches seinerseits vom Ausmaß des psychischen Stresses maßgeblich mitbestimmt wird. Streß schließlich resultiert aus der subjektiven Einschätzung von Anforderungen im Verhältnis zu den eigenen Bewältigungsressourcen.